BGH setzt höhere Anforderungen an die Voraussetzungen der Gläubigerkenntnis im Rahmen der Vorsatzanfechtung (BGH, Beschluss vom 22.06.2017 – IX ZR 111/14).

Der Bundesgerichtshof hat am 22. Juni 2017 Stellung zu den Anforderungen der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 2 InsO (Az.: IX ZR 111/14) bezogen. Der Anfechtungsgegner muss positive Kenntnis über die Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung und den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners gemäß § 133 Abs. 2 InsO erlangt haben.

Die Schuldnerin hat die Beklagte zur Ausführung von Asphaltarbeiten beauftragt. Nach Ausführung der Arbeiten hat die Beklagte der Schuldnerin eine Abschlagrechnung über 52.019,14 Euro ausgestellt. Die Schuldnerin hat die Abschlagrechnung unter Wahrnehmung des eingeräumten Skontoabzugs bezahlt. Im Anschluss darauf hat die Beklagte eine Schlussrechnung über 39.177,91 Euro gestellt. Die Schuldnerin hat diese jedoch auch nach zwei Mahnungen durch die Beklagte nicht bezahlt. Die Beklagte hat die Schuldnerin erneut durch ein Schreiben ihres Rechtsanwalts angemahnt. Daraufhin ist die Zahlung von 20.000 Euro erfolgt. Wegen des Restbetrags in Höhe von 19.177,91 Euro hat die Beklagte Klage gegen die Schuldnerin erhoben. Das zuständige Gericht hat ein Versäumnisurteil über 21.806,14 Euro zuzüglich Zinsen erlassen. Infolgedessen hat die Schuldnerin insgesamt 24.358,06 Euro auf den Urteilsbetrag nebst Kosten und Zinsen geleistet. Damit hat die Schuldnerin ihre Restverbindlichkeiten bei der Beklagten vollständig beglichen.
Noch im selben Jahr hat das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und den Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Im Wege der Vorsatzanfechtung hat dieser von der Beklagten die erhaltenen 24.358,06 Euro zurückgefordert.

Nach § 133 Abs. 1 S. 2 InsO wird vermutet, dass der Gläubiger Kenntnis von dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners hatte. Hierfür müsste er von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gewusst haben und dass die Handlung durch den Schuldner eine Benachteiligung gegenüber den anderen Gläubigern darstellt. Für die Kenntnis sollte dabei nach Auffassung des Bundesgerichtshof die Kenntnis über die Zahlungseinstellung. „Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reiche für eine Zahlungseinstellung aus“ (BGH, 22. Juni 2017 –  IX ZR 111/14, Rn. 6.).

Der Bundesgerichtshof stellt nun klar, dass grob fahrlässige oder leichtfertige Unkenntnis nicht genügen. Erst positive Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder der Zahlungseinstellung begründen eine wirksame Vorsatzanfechtung. Ein bloßer Zahlungsverzug des Schuldners bei einer erfolgreichen, zwangsweisen Durchsetzung einer unbestrittenen Forderung ist nach Auffassung des Gerichts nicht automatisch mit der Kenntnis von einer Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung gleichzusetzen, wenn dem Gläubiger sonst keine weiteren konkreten Tatsachen bekannt sind, die hierauf schließen lassen.

Der Bundesgerichtshof hat sich zudem von seiner bisherigen Rechtsprechung gelöst, wonach ein Gläubiger bei gewerblich tätigen Schuldnern nicht mit weiteren ungedeckten Ansprüchen anderer Gläubiger rechnen müsse (BGH, 13. August 2009 – IX ZR 159/06).

(BGH, Beschluss vom 22.06.2017 – IX ZR 111/14).