Bundesgerichtshof entscheidet über die Anfechtung von Zahlungen des Schuldners, nach Einräumung seiner Zahlungsunfähigkeit auf Grundlage eines von ihm behaupteten Sanierungskonzepts (Bundesgerichtshof, Urteil vom 14. Juni 2018 – IX ZR 22/15).

Am 14. Juni 2018 entschied der Bundesgerichtshof, dass für die Anfechtung einer Rechtshandlung nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO eine Gläubigerbenachteiligung dann gegeben sei, soweit die Rechtshandlung die Schuldenmasse entweder vermehre oder die Aktivmasse verkürze und dadurch den Zugriff auf das Schuldnervermögen vereitele, erschwere oder verzögere. Die Gläubigerbenachteiligung sei auch dann anzunehmen, wenn die Rechtshandlungen zwar im Rahmen von Sanierungsbemühungen erfolgt hätten, letztlich aber nicht die Insolvenz abwenden konnten.

In dem auf Eigenantrag vom 21. März 2012 am 1. April 2012 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH & Co. KG (Schuldnerin) war der Kläger Insolvenzverwalter. Die Schuldnerin hatte bei dem Beklagten hohe Steuerschulden. Im Februar 2010 vereinbarten die Schuldnerin und der Beklagte eine Ratenzahlungsvereinbarung mit Vollstreckungsaufschub, der die Schuldnerin jedoch nicht nachkam. Ende Dezember wandte sich die Schuldnerin mit anwaltlichem Schreiben an den Beklagten und teilte mit, dass eine hinreichende Zahlungsunfähigkeit nicht mehr bestehe und die Gesellschaft abgewickelt werden solle. Die Schuldnerin erläuterte, dass ein außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren angestrebt werde, das unter anderem einen Teilverzicht des Beklagten vorsehe. Der Beklagte stimmte dem Schreiben der Schuldnerin am 11. Februar 2011 mit der Maßgabe zu, dass die Schuldnerin alle laufenden steuerlichen Verpflichtungen pünktlich erledige und die überwiegende Anzahl an Gläubigern der Lösung zustimme. Im September 2011 wurde der Teilerlass gewährt. Der Kläger begehrte gemäß § 133 Abs. 1, § 143 InsO die Rückzahlung der zwischen Mai 2010 und Februar 2012 von der Schuldnerin an den Beklagten geleisteten Zahlungen.

Das Berufungsgericht wies die Klage zurück und begründete dies damit, dass die Zahlungen der Schuldnerin, die am und nach dem 11. Februar 2011 geleistet wurden keine Benachteiligungsabsicht und auch keine Kenntnis des Beklagten aufgrund des Sanierungskonzepts erkennen ließen. Der Beklagte habe aufgrund der Verhandlungen im Februar 2010 gewusst, dass die Schuldnerin ihre Verbindlichkeiten nicht erfüllen konnte. Der Beklagte habe aber einen Nachweis für einen tauglichen Sanierungsplans vorgelegt, so dass dieser von keiner Gläubigerbenachteiligungsabsicht der Schuldnerin habe ausgehen müssen.

Der Bundesgerichtshof hingegen war anderer Auffassung und verwies auf seine Entscheidung vom 12. Mai 2016 in der er bereits Maßstäbe festlag, die in diesem Zusammenhang an ein Sanierungskonzept zu stellen sind (IX ZR 65/14).
Nach § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor bzw. nach Insolvenzantrag mit dem Vorsatz geleistet hat, seine Gläubiger zu benachteiligen und soweit der Leistungsempfänger im Zeitpunkt der Rechtshandlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Die erforderliche Kenntnis wird nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, soweit der Leistungsempfänger Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und der Benachteiligung gegenüber den Gläubigern hatte. Die Kenntnis kann jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Senats wiederlegt werden, soweit die angefochtene Rechtshandlung Bestandteil eines ernsthaften Sanierungsversuchs ist, selbst wenn dieser letztlich fehlgeschlagen ist. Der Anfechtungsgegner muss aber konkret darlegen und beweisen, dass ihm der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners in Hinblick auf den Sanierungsversuch unerkannt geblieben ist.

Die Richter führten weiterhin aus, dass zum Zeitpunkt der angefochtenen Handlung ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorliegen müsse, dass mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt sei und die ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertige. Erst dann widerlege der Sanierungsplan die Vermutung des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO. Im vorliegenden Fall sei jedoch nicht ersichtlich gewesen, inwieweit die Realisierung des Sanierungskonzepts zu einer vollständigen Gläubigerbefriedigung hätte führen sollen. Ein schlüssiges Sanierungskonzept setze nicht notwendigerweise die Einbeziehung sämtlicher Gläubiger voraus (Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Dezember 2011 – IX ZR 156/09). Dennoch müsse die zugunsten des Gläubigers bestehende Sicherheit dazu beitragen, das Schuldnerunternehmen zu sanieren, also die Insolvenzreife dauerhaft abzuwenden.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs habe der Beklagte auch Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners gehabt, da er zumindest seit den im Frühjahr 2010 geführten Verhandlungen von der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gewusst habe. Somit greife die Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO ein, die auch nicht durch den Beklagten widerlegt wurde. Hinsichtlich der Zahlungen vor dem 11. Februar 2011 könne eine Gläubigerbenachteiligung im Sinne von § 129 Abs. 1 InsO nicht mit der Begründung abgelehnt werden, es habe ein die Krise beendendes erfolgsversprechendes Sanierungskonzept vorgelegen.
Eine Gläubigerbenachteiligung sei dann gegeben, soweit die Rechtshandlung die Schuldenmasse entweder vermehre oder die Aktivmasse verkürze und dadurch den Zugriff auf das Schuldnervermögen vereitele, erschwere oder verzögere. Hätte sich die Befriedigungsmöglichkeit der Gläubiger bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet, sei bereits eine Gläubigerbenachteiligung gegeben. Eine Benachteiligung liege ausnahmsweise nur dann nicht vor, wenn die Insolvenzmasse trotz der Rechtshandlung noch zur Befriedigung aller Gläubiger ausreiche. Nach Auffassung der Richter sei eine Gläubigerbenachteiligung auch bei Rechtshandlungen anzunehmen, die zwar im Rahmen von Sanierungsbemühungen erfolgt hätten, letztlich aber nicht die Insolvenz abwenden konnten.

Der Bundesgerichtshof hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache zurück an das Berufungsgericht.

(Bundesgerichtshof, Urteil vom 14. Juni 2018 – IX ZR 22/15)