Am 11. Oktober 2018 entschied der Bundesgerichtshof, dass der einem Gläubiger zur Zeit der Insolvenzeröffnung zustehende Anspruch auf Abschluss eines Vertrags mit dem Schuldner eine Insolvenzforderung darstellt. Diese könne nur mit dem geschätzten Wert des Anspruchs zur Tabelle angemeldet werden.
Der Beklagte ist Verwalter in dem am 1. November 2008 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der J-GmbH (Schuldnerin). Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht der A-mbH (fortan A) die Feststellung vertraglicher Ansprüche zur Tabelle. Mit Vertrag vom 20. August 2002 vermietete die A ein Gewerbegrundstück an die E-GmbH (fortan E). Im Oktober 2003 schlossen die A, die E und die Schuldnerin eine so bezeichnete Mietbeitrittsvereinbarung, nach welcher die Schuldnerin berechtigt und unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet war, neben der E in den Mietvertrag einzutreten.
In dem Vertrag heißt es dazu: „2. Auf Verlangen des Vermieters ist der Mietbeitrittsverpflichtete verpflichtet, in alle Rechte und Pflichten neben dem Mieter in den Mietvertrag einzutreten, wenn a) der Mieter seine Zahlungen einstellt oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren beantragt wird oder über sein Vermögen ein der Schuldenregelung dienendes außergerichtliches Verfahren eingeleitet wird, (…). Mit Zugang der Aufforderung, dem Mietvertrag beizutreten, ist der Mietbeitritt erfolgt. In dieser Aufforderung sind die Gründe gemäß Ziffer 2a) – f) zu spezifizieren. Einer weiteren Erklärung des Mietbeitrittsverpflichteten bedarf es nicht. 3. Es wird klargestellt, dass der Mietbeitrittsverpflichtete nur für alle Forderungen des Vermieters haftet, die ab dem Zeitpunkt des erfolgten Mietbeitritts fällig werden. 4. Für den Fall, dass der Mietvertrag (…) schon vor dem vertraglich vorgesehenen Ende vorzeitig beendet wird, verpflichtet sich der Mietbeitrittsverpflichtete hiermit, über das Mietobjekt zu denselben Bedingungen des Mietvertrages (…) einen neuen Mietvertrag mit dem Vermieter abzuschließen.“
Mit Vertrag vom 1. Dezember 2003 trat die A alle Ansprüche und Rechte aus der Mietbeitrittsvereinbarung und aus einem etwaigen Mietbeitritt an die Klägerin ab. Am 30. Oktober 2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der E eröffnet. Der Insolvenzverwalter kündigte der E den Mietvertrag mit Schreiben zum 31. Januar 2009. Mit Schreiben an den Beklagten vom 31. Juli 2009 verlangte die A im eigenen Namen und namens der Klägerin unter Hinweis auf Nr. 4 der Mietbeitrittsvereinbarung den Abschluss eines Mietvertrages nach Maßgabe des Vertrages vom 20. August 2002. Bereits mit Schreiben vom 15. Dezember 2008 hatte die Klägerin Forderungen aus der Mietbeitrittsvereinbarung. Mit Schreiben vom 3. Juni 2009 ergänzte die Klägerin die Anmeldung dahingehend, dass Schadensersatz in Höhe von 22.238.093,88 € verlangt werde, nachdem die Schuldnerin durch den Nichtabschluss des Mietvertrages ihre Pflichten aus der Mietbeitrittsvereinbarung verletzt habe. Sie, die Klägerin, sei so zu stellen, wie wenn seit dem 1. Februar 2009 ein Mietvertrag mit der Schuldnerin bestünde. Der Beklagte bestritt die Schadensersatzforderung. Die Klägerin verlangte, soweit jetzt noch von Interesse, die Feststellung eines Anspruchs auf Zahlung von 16.315.229,25 € zur Tabelle.
Das Berufungsgericht führte dazu aus, dass im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Schuldnerin der Mietvertrag bereits beendet sei. Gemäß Nr. 4 der Mietbeitrittsvereinbarung sei die Schuldnerin aber zum Abschluss eines neuen Mietvertrags verpflichtet gewesen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe hieran nach Auffassung des Berufungsgerichts nichts geändert. Im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung habe der Klägerin eine unzerstörbare Anwartschaft zugestanden. Nach der Mietbeitrittsvereinbarung habe die Schuldnerin keinerlei Einfluss mehr auf ihre Pflicht zum Vertragseintritt oder zum erneuten Vertragsabschluss nehmen können. Nachdem der Mietvertrag nicht fortgesetzt worden sei, könne die Klägerin Schadensersatz in der vom Landgericht ausgeurteilten Höhe verlangen.
Der Bundesgerichtshof war der Auffassung, dass die Mietbeitrittsvereinbarung vielmehr nur einen Anspruch auf Abschluss eines Mietvertrags begründe. Voraussetzung des Abschlusses eines Mietvertrags sei nicht nur die Aufforderung zum Abschluss des Mietvertrages, sondern auch eine Annahmeerklärung der Schuldnerin.
Im Zeitpunkt bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens hätten weder die Rechtsvorgängerin der Klägerin noch die Klägerin selbst die Schuldnerin zum Abschluss des Mietvertrags aufgefordert. Dieser Vermögensanspruch gegen den Schuldner stelle eine Insolvenzforderung im Sinne von § 38 InsO dar. Gemäß § 87 InsO könne ein Insolvenzgläubiger seine Forderung nur noch zur Tabelle anmelden. Eine Forderung, die nicht auf Geld gerichtet ist, sei mit dem Wert durchzusetzen, der für die Zeit der Insolvenzeröffnung geschätzt werden könne. Der Abschluss des Mietvertrags könne also nicht mehr verlangt werden.
Da die Klägerin nach Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Schuldnerin den Anspruch auf Abschluss eines Mietvertrags nicht mehr durchsetzen könne, sei auch kein Raum für Ansprüche aus dem Mietvertrag auf Zahlung von Miete oder auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Mietvertrags gegeben.
Die Klägerin habe mit Schreiben vom 15. Dezember 2008 eine „abgetretene Forderung aus Mietbeitrittsvereinbarung“ zur Tabelle angemeldet, die sich aus den nicht streitgegenständlichen „offenen Mietforderungen“ und einem Schadensersatzanspruch zusammensetze. Die Schuldnerin habe die Klägerin so zu stellen, als sei der Mietvertrag zustande gekommen. Jedoch habe die Klägerin im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung allenfalls einen Anspruch auf Abschluss eines Mietvertrages durchsetzen können. Dieser sei als solcher jedenfalls nicht mehr durchsetzbar gewesen. Die Klägerin hätte ihren Anspruch gemäß § 45 S. 1 InsO mit dem Wert zur Tabelle durchsetzen müssen, der für die Zeit der Insolvenzeröffnung geschätzt werden könne.
Die Revision führte zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und zur Abweisung der Klage.
(Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11. Oktober 2018 – IX ZR 217/17)