Bundesgerichtshof entscheidet über die Wirkung der öffentlich-rechtlichen Verstrickung eines Vermögensgegenstands in der Insolvenz (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. September 2017 – IX ZR 40/17).

Der IX. Senat des Bundesgerichtshofs stellte mit Urteil vom 21. September 2017 fest, dass eine durch Zwangsvollstreckung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag erlangte Sicherung zur öffentlich-rechtlichen Verstrickung des Vermögensgegenstandes führt (Az.: IX ZR 40/17). Die Verstrickung tritt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch bei einer während der Dauer des Insolvenzverfahrens durchgeführten Zwangsvollstreckung ein. Die Wirkung dauere im Insolvenzverfahren fort, bis sie auf einem dafür vorgesehenen Weg beseitigt worden ist.

Der Schuldner eröffnete bei der beklagten Bank im August 2011 ein Pfändungsschutzkonto. In den Monaten zwischen Juli und November 2011 stellten verschiedene Gläubiger des Schuldners der Beklagten sieben Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse zu. Ein weiterer Überweisungsbeschluss wurde der Beklagten im Juli 2012 zugestellt. Im darauffolgenden Monat eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Das zuständige Gericht bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.
Die Beklagte führte das Pfändungsschutzkonto auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiter. Bei Zahlungseingängen auf dem Pfändungsschutzkonto, die die Pfändungsfreigrenze überschritten, übertrug die Beklagte diese Beträge auf ein von ihr separat geführtes Konto. Im Oktober 2013 wies das Separierungskonto einen Stand von 1.791,87 Euro auf. Der Kläger forderte von der Beklagten, die angesammelten Beträge des Separierungskontos an ihn zu überweisen. Die Beklagte zahlte die Beträge jedoch nicht aus, da sie aufgrund der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse ihrer Ansicht nach nicht über das Kontoguthaben verfügen durfte.

Das Berufungsgericht war der Auffassung, dass dem Kläger ein Anspruch auf Herausgabe gemäß § 700 Abs. 1 S. 3 BGB i.V.m. § 695 BGB zustehe. Der Schuldner habe mit der Beklagten einen Girovertrag abgeschlossen, dessen Ansprüche mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Kläger übergegangen seien. Die streitgegenständlichen Beträge gehören dem Berufungsgericht zufolge zur Insolvenzmasse, da sie über dem Freibetrag nach § 850k ZPO gelegen hätten. Die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse seien zwar wirksam und hätten zu einer Verstrickung der Forderungen geführt, die Wirksamkeit sei jedoch eingeschränkt und nicht durchsetzbar. Damit stünden Ansprüche Dritter aus Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen einer Auszahlung nicht entgegen.

Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass der Kläger den Anspruch des Schuldners auf Auszahlung des Guthabens auf dem separierten Konto aus § 80 Abs. 1 InsO geltend machen kann. Jedoch habe das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen, dass die durch Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse erfolgte Beschlagnahme des Guthabens und die damit eingetretene öffentlich-rechtliche Verstrickung dem Zahlungsanspruch nicht entgegenstehe. Der Drittschuldner könne sich nach Auffassung des Bundesgerichtshofs gegenüber dem Insolvenzverwalter damit verteidigen, dass die Verstrickung der Vermögenswerte fortbestehe (vgl. § 829 Abs. 1 S. 1 ZPO). Dies gelte auch dann, wenn die Zwangsvollstreckung nach § 89 InsO unzulässig oder die vom Insolvenzgläubiger durch Zwangsvollstreckung erlangte Sicherung nach § 88 InsO unwirksam sei.

Das Guthaben aus den von der Beklagten separierten Beträgen wird von den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen erfasst. Es handele sich um Pfändungen des Guthabens eines Kontos bei einem Kreditinstitut, die auch künftige Guthaben umfasst. Die Beiträge auf dem Separierungskonto unterliegen nach Auffassung des Bundesgerichtshofs der Verstrickung, die grundsätzlich durch die Beschlagnahme mit der Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Drittschuldner der zu pfändenden Geldforderung bewirkt wird. Die Verstrickung begründe ein staatliches Herrschaftsverhältnis, das zu einer Sicherstellung der Forderung im Interesse des Vollstreckungsgläubigers führt.
Das Insolvenzverfahren habe selbst keinen Einfluss auf die Verstrickung. Demnach sei ein Zugriff auf die von Pfändungsmaßnahmen eines Gläubigers erfassten Gegenstände im Insolvenzverfahren erst mit Beseitigung der Wirkung der Verstrickung möglich.

Der Drittschuldner habe ein berechtigtes Interesse an Rechtssicherheit, so dass die Wirkung der §§ 88, 89 InsO nicht für die Verstrickung gerechtfertigt sei. Soweit die öffentlich-rechtliche Verstrickung nicht gerichtlich aufgehoben sei, könne das Pfändungspfandrecht aber nach Beendigung des Insolvenzverfahrens wieder wirksam werden.

(Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. September 2017 – IX ZR 40/17)