Keine Anwendung des sog. Sanierungserlasses bei Altfällen (BFH, Entscheidung vom 23. August 2017 – I R 52/14; X R 38/15).

Der Bundesfinanzhof (BFH) in München hat mit Urteilen vom 23. August entschieden, dass der sog. Sanierungserlass des Bundesministeriums für Finanzen (BMF), durch den Sanierungsgewinne steuerlich begünstigt werden sollten, nicht zur Anwendung bei Altfällen kommt (Az.: I R 52/14, X R 38/15).
Der sog. Sanierungserlass des BMF vom 27. März 2003 (BstBl I 2003, 240; ergänzt durch das BMF-Schreiben vom 22. Dezember 2009, BStBl I 2010, 18) verstößt nach Auffassung des Großen Senats des BFH vom 28. November 2016 gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (GrS 1/15). Nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung muss sich die Verwaltung an die Gesetze halten und darf diese nicht ändern.

Wenn ein Gläubiger im Rahmen der Sanierung auf seine Forderung verzichtet, führt dies steuerrechtlich zu einem Sanierungsgewinn. Bis 1997 waren Sanierungsgewinne nach § 3 Nr. 66 Einkommensteuergesetz a.F. steuerfrei.
In dem BMF-Schreiben vom 27. April 2017 (BStBl I 2017, 741) war für die Finanzämter vorgesehen, den sog. Sanierungserlass auf alle Fälle anzuwenden, in denen der Forderungsverzicht der an der Sanierung beteiligten Gläubiger bis zum 8. Februar 2017 endgültig vollzogen worden ist (Altfälle).

In den beiden vom BFH entschiedenen Fällen haben die Kläger mit den zuständigen Finanzämtern über das Vorliegen der Voraussetzungen eines Steuererlasses gestritten. Der BFH hat in seiner Entscheidung nicht darüber entschieden, sondern sowohl die Anordnung des BMF, als auch den sog. Sanierungserlass als Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung angesehen. Deshalb sei auch der sog. Sanierungserlass in Altfällen nicht anwendbar. Nach Auffassung des BFH hätte nur der Gesetzgeber eine solche Regelung treffen dürfen, nicht die Gerichte selbst.

Mit dem Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen vom 27. Juni 2017 (BGBl I 2017, 2074; BStBl I 2017, 1202) sind antragsgebundene Steuerbefreiungstatbestande für Sanierungsgewinne eingeführt worden (§ 3a des Einkommensteuergesetzes und § 7b des Gewerbesteuergesetzes). Ist ein Sanierungsgewinn dadurch entstanden, dass Schulden vor dem 9. Februar 2017 erlassen worden sind, kann weder eine Einkommensteuerbefreiung des Sanierungsgewinns nach § 3a EStG n.F. noch Billigkeitsmaßnahme nach BMF-Schreiben vom 27. März 2003 (BStBl I 2003, 240) oder vom 27. April 2017 (BStBl I 2017, 741) greifen. Diese Bestimmungen kommen also nicht bei Altfällen zur Anwendung.

(BFH, Entscheidung vom 23. August 2017 – I R 52/14 – FG Münster; X R 38/15 – FG Sachsen)